Würzburg/Stuttgart – Für Michael Mühleck war der erste Laden der Discounter-Fitnesskette Fit One in Stuttgart überhaupt nicht geplant. «Da sind wir wie die Jungfrau zum Kinde gekommen», erinnert sich der Geschäftsführer der Familienholding Harlekin, die die Kette gegründet hat.
Per Zufall habe man seinem Sohn Moritz ein leerstehendes Möbelhaus angeboten. «Aber was machst du mit 6000 Quadratmetern?», fragt Mühleck. Die Lösung: Der Fitness-interessierte Sprössling machte 2014 das erste Studio von
Fit One auf.
Dass die Mühlecks damit so viel Zuspruch ernten würden, hätten sie nicht gedacht. Ihr Erfolg ist dennoch kaum verwunderlich: Discounter-Fitnessketten boomen in Deutschland. Nach Einschätzung des Arbeitgeberverbands Deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) sind die Billigketten einer der Wachstumstreiber der Branche. «Das Wachstum liegt regelmäßig über dem ohnehin schon starken Gesamtmarktwachstum», sagt ein Sprecher.
Besonders profitiert der Branchenführer
McFit davon. Die Kette eröffnete 1997 ihr erstes Studio in Würzburg und hat inzwischen nach eigenen Angaben Fitnesshallen in sechs Ländern mit mehr als 1,5 Millionen Mitgliedern und 3500 Mitarbeitern. Mit neuen Studiomarken wie John Reed – Hallen, die etwas an Musikclubs erinnern – oder High 5 versucht die Kette, neues Klientel anzusprechen. Zudem will McFit 2019 im Ruhrgebiet das «größte Gym der Welt» eröffnen.
«Derzeit trainieren rund zehn Millionen Menschen in deutschen Fitnessstudios. Da ist noch Luft nach oben», sagt Unternehmenssprecher Pierre Geisensetter. «Unsere Branche wächst nach wie vor beständig, sie ist weit mehr als nur ein Trend.» Der voraussichtliche Umsatz für das Jahr 2017 werde in allen Ländern etwa 330 Millionen Euro betragen, heißt es.
Dass die Studios trotz Kampfpreisen rentabel operieren, liegt vor allem an einem durchdachten Konzept: «Miete und Personalkosten liegen angebotsbedingt weit unter dem Durchschnitt», erklärt Karsten Hollasch, Leiter der Sport Business Gruppe bei der Beratungsfirma Deloitte. Mehr als 90 Prozent der Einnahmen kämen durch Monatsbeiträge rein. Nebenumsätze durch Getränke oder Sportartikel gebe es kaum, zumal in vielen Studios Getränke im Preis enthalten seien.
Die niedrigen Mitgliedspreise sind für viele Kunden verlockend. Durchschnittlich liegt der Monatspreis bei Discountern bei unter 26 Euro. «Discounter sind preislich sehr attraktiv, deren Dienstleistungsangebot konzentriert sich in der Regel jedoch auf die Bereitstellung von Geräten», sagt der DSSV-Sprecher. «Die persönliche Betreuung ist aufgrund der vergleichsweise hohen Anzahl der Mitglieder pro Anlage, im Gegensatz zu teureren Angeboten, beschränkt.»
Der Sportwissenschaftler Ingo Froböse sieht darin ein Problem: Meist hapere es bei den günstigen Studios an der persönlichen Betreuung. «Man wird also oft sich selbst überlassen», sagt er. Anfänger und Wiedereinsteiger bräuchten intensive Betreuung, um Fehlerquellen zu minimieren und die korrekte Bewegungsausführung zu verinnerlichen. Natürlich sei es erfreulich, dass Discounter neue Zielgruppen erschließen und somit der breiten Masse den Zugang zum Sport ermöglichen. Dennoch empfiehlt Froböse eher Qualitäts-Clubs ohne «Preis-Dumping».
Die erste Fit-One-Filiale in Stuttgart ist nach Betreiberangaben die einzige von zehn, die profitabel ist. Sechs zusätzliche sollen in den kommenden Monaten eröffnen, weitere sind in Planung. Unterm Strich verdient die Discounter-Kette aber mit den Sporthallen noch keinen Cent. «Wir werden erst 2020 sehen, ob wir mit unserem Konzept richtig liegen», sagt Mühleck. Expandiert aber bis dahin fröhlich weiter.
Die Niedrigpreis-Philosophie der Discount-Studios könnte bald vorbei sein. «Wir merken, dass die Discounter langsam anfangen, ihre Leistungen und Preise upzugraden – die klare Abgrenzung zwischen Discounter und Medium-Preisklasse verschwimmt immer mehr», sagt Fabian Menzel von Deloitte. Die Branche stelle sich breiter auf, um verschiedene Kundengruppen anzusprechen. Die Berater jedenfalls sehen nach wie vor Potenzial für den Fitness-Markt.
Fotocredits: Marijan Murat,Marijan Murat,Marijan Murat
(dpa)
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