Berlin – Trainerin Gemma macht unmissverständliche Bewegungen, um mich von meiner Wasserflasche zu vertreiben, «weil jetzt keine Pause ist». Pause ist beim heutigen Crossfit «Workout of the Day» nämlich erst nach 15 Minuten. Das muss reichen.
Dann geht es mit 15 Minuten hochintensiven Bewegungsabfolgen weiter: Rudern, Liegestützen und Squats, jeweils 60 Sekunden lang im Wechsel. Dazu dröhnt laute Techno-Musik aus den Lautsprechern der ehemaligen Auto-Werkstatt.
Crossfit ist zwar nichts weiter als eine Spielart des Zirkeltrainings – der Rahmen ist jedoch ein ganz anderer. Statt im Fitnessstudio trainiert man in der Box.
In der Regel trifft sich eine kleine Gruppe von bis zu 15 Personen und übt gemeinsam unter den Augen eines Trainers ein vorgegebenes Programm aus.
Die einstündigen Kurse beginnen mit kurzen Aufwärmübungen, dann wird das Programm besprochen. Die Übungsabfolgen sind zusammengesetzt aus Turnübungen, Gewichtetraining und Eigengewichtsübungen und werden auf Zeit ausgeübt. Crossfit dient nicht nur der Fitness, Crossfit ist auch eine Wettkampfdisziplin. Sogar Weltmeisterschaften gibt es.
Prof. Lars Donath von der Sporthochschule in Köln weiß um den Grund der Begeisterung: «Crossfit ist sehr kompetitiv», so der Sportwissenschaftler. «Das entspricht dem Zeitgeist. Die Menschen wollen sich miteinander messen.»
Dass die Übungen fit machen, bestreitet wohl keiner. Doch zwei Kritikpunkten muss sich die Crossfit-Bewegung immer wieder stellen: Die Verletzungsgefahr ist laut Kritikern hoch – nicht zuletzt, weil der Wettbewerb untereinander Überanstrengung fördert. Und: Die Trainer sind oft unzureichend ausgebildet.
Auch Prof. Donath sieht das Programm eher kritisch: «Die Übungen sind sehr komplex. Der Trainer müsste diese sehr gut beaufsichtigen und begleiten. Ausreichende Fachkenntnis dafür wird vom Lizenzgeber aber nicht verlangt.» Die Lizenz darf erwerben, wer einen zweitägigen Kurs macht und anschließend über das Level-1-Zertifikat des Mutterunternehmens in Santa Cruz (USA) verfügt.
Lars Runne von Crossfit-Mitte in Berlin hält dagegen: Wer überanstrengt ist, könne selbstverständlich jederzeit pausieren. Doch: Laute Musik, das Training in der Gruppe, Teamplayer-Gesten wie gegenseitiges Abklatschen – man kann sich vorstellen, dass Schwäche zeigen schwerfällt. Blutigen Anfängern, auch wenn sie körperlich keine Einschränkungen haben, würde Runne das Programm nicht als Einsteigersportart empfehlen. Grundsätzlich sei ein leicht fortgeschrittener Trainingszustand günstig.
Auch Sportmediziner Prof. Bernd Wolfarth von der Charité in Berlin betont: «Crossfit ist keine Anfängersportart, dazu animiert es zu sehr zur hochintensiven Belastung.» Es sei extrem wichtig, die Übungen technisch sauber auszuführen. Denn gerade, wenn die Kraft nachlässt, steige auch die Verletzungsgefahr. In Bezug auf den Freizeit- und Breitensportbereich empfiehlt er auf maximal ein Drittel Crossfit-Einheiten in der Woche zwei Drittel Einheiten moderates Ausdauertraining.
Wolfarth sieht Crossfit nicht per se negativ, denn: Es motiviert. Auch Prof. Donath aus Köln gibt zu: Das Programm ist vielseitig und abwechslungsreich. Wer fit ist, mit Verstand trainiert und Spaß daran hat, bei dem spricht nichts dagegen. Spaß gilt beim Sport ohnehin ja als Schlüsselfaktor für den Erfolg.
Fotocredits: Franziska Gabbert,Franziska Gabbert,Franziska Gabbert,Franziska Gabbert,Franziska Gabbert,Franziska Gabbert,Franziska Gabbert
(dpa/tmn)
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